
Im Dunkel der Nacht geschah auf einer kleinen Insel im Südatlantik ein kleines Wunder. Putzige kleine Meeresschildkröten schlüpften zu Dutzenden aus ihrer weichen Eischale. Mit seinen winzigen Flossen schaufelte Topsi den Sand zur Seite, und krabbelte aus der kleinen Mulde heraus in der er zu einer winzigen Schildkröte herangewachsen war. Sein Instinkt sagte ihm, dass sie alle so schnell wie möglich das schützende Meer erreichen mussten. Das schwache Licht des Mondes das über der Palmeninsel lag half ihnen dabei.
"Hier geht’s zum Wasser, folgt mir Kinder."
Topsi hatte es laut gerufen, doch nur die kleine Molly war ihm tollpatschig hinterher gelaufen.
"Hetzt doch nicht so Bruderherz, ich kann nicht so schnell."
"Hör mal Molly, du kannst ja ruhig ein kleines Nickerchen machen. Doch bald wird es hell
werden. Wenn wir bis dahin nicht im Meer sind, dann fressen uns die Vögel oder andere Tiere."
"Bitte warte auf mich."
Mit piepsiger Stimme hatte Molly gerufen, und nun kullerten ihr auch schon die Tränen über ihr Gesicht."
"Ist ja gut Kleine, ich warte auf dich."
"Glaubst du, im Meer sind wir sicher."
"Kleine Schildkröten wie wir, sind nirgends sicher. Kannst du nun wieder laufen. Wir müssen weiter."
Topsi krabbelte über Kieselsteine, kletterte einen kleinen Hügel hinauf und schlidderte auf der anderen Seite auf seinem Bauch wieder hinunter. Molly stolperte und überschlug sich, schon wieder weinend landete sie auf dem Rücken genau vor Topsi.
"Du musst nicht immer gleich weinen, ich bin doch bei dir."
Topsi half ihr wieder auf die Beine.
"Nun wird es aber Zeit ins Meer zu kommen."
Schon erreichten die ersten Wellen die kleinen Schildkröten und spülten sie weit ins Meer hinein. Als es Tag wurde, machte sich Topsi auf die Suche nach einem geeigneten Versteck.
"Schau mal, das Riff, hier gibt es bestimmt kleine Spalten oder Höhlen, wo wir uns verstecken können."
"Oh sieh doch nur, wie wunderschön es hier ist. Überall schwimmen bunte Fische, am Meeresboden liegen wunderschöne Seesterne und Seeigel. Und überall wachsen herrliche Korallen. Das muss dir doch auch gefallen. Ich möchte mir alles genau ansehen Topsi"
"Ich habe Hunger, hier gibt es überall kleine Krebse und Schwämme. Wenn du lieber gefressen werden möchtest anstatt selber zu fressen, bitte."
"Du bist gemein zu mir."
"Und du bist unvernünftig."
Schmollend schwamm sie Topsi nach, der eine kleine Felsspalte entdeckt hatte, die groß genug für sie beide war. Krill, kleine Krebstierchen und pflanzliches Plankton schwebten in großer Zahl im kristallklaren Meerwasser. Den ganzen Tag über schnappten die Schildkröten nach allem was ihnen vor die kleinen Mäulchen kam. Die kleinen Schildkröten waren nicht wählerisch. Auch die Schwämme wurden nicht verschmäht und so waren sie satt geworden, als die Nacht im Meer Einzug hielt.
"In der Dunkelheit können wir es wagen unsere Reise fortzusetzen."
"Mir gefällt das Meer, es ist so herrlich bunt und voller Leben."
"Ja es ist schön, dieses Meer. Es ist von nun an unser Zuhause."
"Werden wir nie wieder zur Insel zurückkehren.
"Du kehrst ganz sicher zu ihr zurück."
"Und wieso gerade ich und du nicht."
"Weil du ein Mädchen bist, deshalb. Eines Tages wirst du Kinder bekommen und die werden auf der Insel geboren. Deshalb musst du wieder zurück zu ihr."
"Du könntest doch mitkommen."
"Mal sehen, ob ich es solange mit dir aushalte."
"Du bist schon wieder gemein zu mir. Ist es nicht schöner zu zweit durch das Meer zu reisen."
"Doch Molly, sogar viel schöner, obwohl Schildkröten eigentlich Einzelgänger sind. Selten sieht man zwei von ihnen gemeinsam im Meer schwimmen."
"Bitte bleib bei mir und verlass mich nicht. Versprich es mir Topsi."
"Mir macht es doch auch Freude an deiner Seite die Schönheit des Meeres zu bestaunen. Ja Molly ich verspreche bei dir zu bleiben.
Schau doch, kleine Anemonenfische, sie bewachen die Anemone."
"Und warum tun sie das Topsi."
"Die Nesselhaare der Anemone sind giftig, doch die Fischchen sind immun dagegen, ihre Feinde aber nicht. Dafür beschützen die Fische die Anemone."
"Eine tolle Partnerschaft ist das."
Inzwischen waren Wochen vergangen die kleinen Schildkröten waren nun schon so groß geworden, dass sie sich auch einmal am Tage getrauten im Meer zu schwimmen.
"Schau nur Topsi, eine richtige Unterwasserwiese. Mit richtigen Blumen und Gräsern darin."
"Solange wir an dem großen Barriereriff entlang schwimmen, wird es für uns immer etwas zum Staunen geben."
"Ich möchte nirgend wo anders sein. Wo könnte es schöner sein."
"Sicher nirgendwo, im tiefen Ozean
können sich die kleinen Fische ebenso wenig verstecken wie wir Schildkröten. Die Pflanzen und Korallenfressen finden keine Nahrung dort. Also bleiben alle hier."
"Ich habe bestimmt das klügste Brüderchen im ganzen weiten Meer. Woher weißt du so viel über das Meer."
"Ich weiß es nicht, aber vieles muss einfach so sein Molly."
"Aber du hast bis jetzt immer recht behalten."
"Hoffentlich bleibt es so Molly. Bis wir groß und stark geworden sind. Dann müssen wir keine Angst mehr haben."
"Aber du hast doch keine Angst."
"Genauso viel wie du Molly, nur das ich dabei meinen Kopf nicht verliere."
"Ich möchte für immer bei dir bleiben."
"Das ist sehr schön meine Kleine."
"Oh, sieh doch nur, die vielen kleinen Fische. Sind die nicht herrlich. Ein ganzer Schwarm bunter Fische zwischen wunderschönen Korallen. Manchmal weiß ich nicht wo ich zuerst hinsehen soll. So schön ist das Meer."
Topsi und Molly blieben viele Jahre zusammen. Mit viel Glück hatten die Beiden das erwachsenen Alter erreicht. Molly hatte ein anderes Männchen getroffen und war auf dem Weg, zurück zu ihrer Insel wo sie ihre Eier im warmen Sand vergraben würde. Tobsi war an ihrer Seite geblieben. Denn beide hatten beschlossen, ihr ganzes Leben beieinander zu bleiben.
"Tobsi ich bin so glücklich, das ich nicht alleine zur Insel zurückkehren muss."
"Ich hab dir doch damals gesagt. Mal sehen, ob ich es mit dir so lange aushalte."
"Und das hast du, bis heute."
"Ich kann meine kleine Schwester doch nicht einfach verlassen."
"Ob wir hierbleiben, bis meine Babys ausgeschlüpft sind."
"Das ist keine gute Idee Molly.
Die meisten werden es nicht schaffen. Du müsstest wieder schrecklich weinen. Wenn wir weiterziehen haben wir wenigsten die Hoffnung, dass viele der Kleinen glücklich das Meer erreicht haben. Genau wie wir."
"Sicher ist es das Beste. Dann werden wir wieder am Riff entlang schwimmen. Die Korallen und die vielen bunten Tiere bewundern."
"Ja Molly, das Meer ist viel zu schön um lange traurig zu sein. Wir müssen nur die Augen aufmachen."
"Und das werden wir lieber Topsi. Weißt du, dass ich dich schrecklich gern habe."
"Natürlich, hoffentlich genauso schrecklich wie ich dich lieb habe Schwesterlein."
"Genauso schrecklich Topsi."
Beide lachten und schwammen glücklich der Insel entgegen, auf der sie das Licht der Welt erblickten und zu der sie immer wieder zurückkehren würden.