
Jana war früh erwacht an diesem Morgen. Vom geöffneten Fenster drangen Stimmen an ihr Ohr, die ihren Namen riefen.
"Jana nun kommt doch endlich, wir warten auf dich."
"Thinahel, ich glaube fast, unsere Schwester Jana scheint eine kleine Schlafmütze zu sein."
Lautes Kichern aus kleinen hellen Stimmen war gleich darauf zu hören.
Neugierig geworden, lief sie zum Fester, und blickte nach draußen. Alles war verschwunden, die Häuser, die Bäume, Straßen und Wege, einfach alles. Ungläubig rieb sie sich die Augen, doch alles blieb verschwunden.
Was Janas Augen sehen konnten, versetzte sie in Staunen. Eine bunte Sommerwiese lag vor ihr, die so unglaublich groß war, dass sie ihr Ende nicht erkennen konnte. Die Blumen darin waren um vieles größer als sie es gewohnt war. Wunderschöne Vögel deren Federkleid in schillernden Farben leuchtete, suchten nach Nektar und saugten ihn im Fluge aus den Blütenkelchen der Blumen. Ein Wasserfall schickte wie aus dem Nichts, seine Fluten in die die Tiefe. Sein Wasser ergoss sich in einen glasklaren See, an dessen Ufer Jana zwei kleine mädchenhafte Elfen erblickte. Eine dritte saß auf einem Kleeblatt und winkte ihr freundlich zu.
"Hallo Jana, bist du endlich erwacht. Komm doch bitte zu uns."
Da lief sie schnell und leise die Treppen hinunter und trat ins Freie. So wie sie die Wiese betreten hatte, war auch das Haus nicht mehr zu sehen.
"Träume ich noch, oder geschieht das in Wirklichkeit."
"Es ist die Wirklichkeit. Aber du musst dich nicht fürchten."
"Wo bin ich hier, ist das noch die Erde."
Wieder erklang das fröhliche Lachen der Mädchen, es gefiel Jana, denn die Elfen waren freundlich und lustig zugleich."
"Ist das noch die Erde, aber ja Schwesterchen. Du bist keine fünf Schritte von deinem Zuhause entfernt."
"Und warum kann ich es dann nicht sehen. Und warum nennt ihr mich immer Schwesterchen."
"Du musst uns schon glauben Jana, wir sind deine
Elbenschwestern aus dem All. Wir Elfen lieben unsere Welt so sehr, dass wir ohne sie nicht leben können. Deshalb nehmen wir sie einfach mit auf unsere Reisen.
"Ihr macht euch lustig über mich, wie kann man eine ganze Welt mit auf Reisen nehmen."
"Nein, nein, es ist so, wie ich dir sage. Was du hier siehst ist Lunaris unser Heimatstern, und du bist unsere kleine Schwester Lalâdi."
"Wie kann ich eure Schwester sein. Ich bin ein Einzelkind."
"Wir sind nicht deine wirklichen Schwestern, sondern deine Elbenschwestern Thinahel, Elesil und Nesíreä und dein wirklicher Name lautet Lalâdi. Sieh genau hin."
Elesil hielt plötzlich eine weiße Kugel in der Hand, in ihr konnte Jana Bilder aus längst vergangener Zeit sehen. Fünf erwachsene Elfen hatten einen Kreis gebildet. Alle waren glücklich, denn in ihrer Mitte lagen vier Elfenkinder, neues Leben, das geschützt werden musste. Jede Elfe trat deshalb einzeln an die Neugeborenen heran, um ihnen ihre Wundergaben zu schenken, die eine Schönheit die andere Glück die anderen Tugend,
Zauberkräfte, und Mut. Kaum war das geschehen, da wurden die Kinder mit ihren Eltern auf eine lange Reise geschickt. Jana geboren als Lalâdi erwachte als Tochter von Manatiel und Rinal auf der Erde. Die Elbenfamilie lebte seit dieser Zeit wie Menschen unter Menschen, doch waren sie keine.
"Das war dein ganzes Leben in Bildern, glaubst du nun das du eine Elfe bist. Genau wie du leben wir mit unseren Eltern auf der Erde."
Da geschah es, das sich auch Jana in eine kleine wunderschöne Elfe verwandelte. Wie ihre Schwestern hatte sie Flügel bekommen, und das lange rote Haar fiel ihr weit die Schultern hinab.
"Aber weshalb. Wozu leben wir auf der Erde wenn unsere Heimat doch so wunderschön ist."
"Lunaris ist zu klein für alle Elfen. Nur wenigen ist es vergönnt auf unserem wunderbaren Planeten leben zu dürfen. Unser Heimatstern wird von zwei blauen Zwillingsmonden umkreist, die des Nachts noch viel schöner leuchten als der Mond der Erde. Es gibt dort alles was man sich nur wünschen kann, und niemand muss sich fürchten. Alle leben dort in Glück und Frieden miteinander."
Von dort, wo Janas Haus stehen musste, erschienen plötzlich ihre Eltern und gesellten sich zu ihnen.
„Guten Morgen Lalâdi, unsere geliebte Tochter. Heute wirst du in Elbenjahren gerechnet volljährig. Aus diesem Grund hast du nun die ganze Wahrheit erfahren. Auch deine Elbenschwestern wissen erst seit kurzer Zeit, dass sie keine Menschenkinder sind. Leider war es uns nicht erlaubt, dich früher in unser Geheimnis einzuweihen.“
"Aber warum erfahre ich es heute. Gibt es dafür einen besonderen Grund."
"Den gibt es liebe Lalâdi. Wir haben hier auf Erden den Auftrag, die Menschen zu lehren, wie sie ohne Neid und Missgunst miteinander in Frieden leben können. Auch ist es unsere Aufgabe, den Menschen zu zeigen, wie sie die Schönheit der Natur erhalten, und das Leben auf der Erde schützen und mehren können."
"Aber das hättet ihr mir doch schon lange sagen können."
„Vom Tage eurer Volljährigkeit an, ist es uns allen gestattet, jedes Jahr einige Wochen auf Lunaris zu leben. Endlich ist der Tag gekommen, an dem wir gemeinsam aufbrechen werden, um unsere geliebte Heimat wiederzusehen.“
„Und der Elbenstern ist wirklich so schön, wie diese zauberhafte Landschaft."
"Noch viel, viel schöner mein Kind.“
"Dann lasst uns auf die Reise gehen."
Nur einen Augenblick später waren auch die Eltern von Thinahel, Elesil und Nesíreä eingetroffen. Da verwandelten sich alle Elfen in kleine Sternchen und flogen dem Himmel entgegen. Gemeinsam machten sie sich auf die lange Reise zum Elfenstern, dorthin wo sie alle geboren wurden.
Am Ende ihrer Reise würde das Tor ins Glück auf sie warten.
*** Ende ***
Heimatstern Teil 2 der Geschichte
Lalâdis Reise an der Seite ihrer Elbenschwestern Thinahel, Elesil und Nesíreä war ein beinahe unbegreifliches Abenteuer.
"So unglaublich schön ist der Weltraum. Seht euch nur die Sonne an. Es ist nur ein riesiger Gasballon, hundert Mal größer als die Erde und doch so strahlend schön, dass es einem den Atem verschlägt. Und die unzählbare Zahl der Sterne am Himmelszelt, ein wahres Wunder der Natur."
"Die Menschen sollten sehen was wir sehen, dann würden sie erkennen, dass ihre Probleme auf der Erde klein und unwichtig sind."
"Mit unserer Hilfe, werden sie eines Tages erkennen, das die Menschheit nur gemeinsam eine Zukunft haben wird. Dann wird eine Zeit auf der Erde anbrechen in der das Leben ebenso schön wie auf Lunaris werden könnte."
"Ein schöner Gedanke Manatiel und Rinal, doch wird es noch viele Jahrhunderte dauern bis dies Wirklichkeit werden wird."
Cirdan der Vater von Nesíreä hatte es ausgesprochen, ja es würde noch lange Zeit vergehen und viel Überzeugungskraft brauchen bis die Menschen begreifen würden.
Endlich tauchten die blauen Zwillingsmonde vor den Augen der Elben auf. Hinter den beiden Monden verborgen, würde bald der Heimatstern Lunaris in Sichtweite kommen.
"Wir sind bald Zuhause, endlich werden wir unseren Heimatstern wiedersehen."
Aus dem All sah Lunaris fast aus, wie der kleine blaue Bruder der Erde. Nur das an seinem Pol ein srahlend schöner Stern zu sehen war.
Nur durch das Tal der grünen Berge konnte man das Reich der Elben betreten. An dessen Ende wartete ein steinernes Portal auf die Ankömmlinge, nur Elfen war es erlaubt das Tor zu durchschreiten, um ins Innere des Planeten zu gelangen.
Voller Trauer dachten Manatiel und Rinal an den Tag zurück, an dem sie ihre Heimat verlassen mussten. Doch auf Lunaris lebten ihrer schon so viele Elben. Vor langer Zeit hatte daher Emerelle die Königin aller Elben ein Gesetz erlassen, dass alle Elben die ein Kind zur Welt brachten, Lunaris für immer verlassen mussten. Doch war es ihnen erlaubt, wenn ihre Kinder volljährig würden, einmal im Jahr für kurze Zeit auf Lunaris zurückzukehren.
Überwältigt von der Schönheit ihrer Heimat, blickten die Elternpaare gebannt auf die Landschaft die sich vor ihnen ausbreitete. Wälder groß schön und sich selbst überlassen, wunderschöne Blumengärten, Seen und Wasserfälle, wie es sie nirgendwo auf der Erde gab.
Über ihnen waren die Zwillingsmonde am Himmel zu sehen, die in der Nacht ihr leuchtend blaues Licht auf Lunaris schicken würden um den Planeten in eine geheimnisvolle Traumwelt zu verzaubern.
Lalâdi, Thinahel, Elesil und Nesíreä die sonst so fröhlich und lustig waren, fanden keine Worte für das was ihre Augen erblickten. Sprachlos nahmen sie die Eindrücke auf um sie in ihr Gedächtnis einzuprägen.
Von allen unbemerkt wartete bereits seit Minuten eine kleine Abordnung der ranghöchsten Elben auf die kleine Schar der Ankömmlinge. Ein unhörbares Räuspern machte sie jedoch auf sie aufmerksam. Unhörbar deshalb, weil die obersten der Elben es vorzogen in der Elbensprache zu sprechen, die mit der Kraft der Gedanken ohne gesprochene Worte auskam.
"Wir Emerelle, Königin aller Elben begrüßen euch ganz herzlich auf Lunaris. Seid willkommen in eurer alten Heimat. Es soll euch gestattet sein, für zwei Wochen als unsere Gäste auf Lunaris zu verweilen."
"Wir danke dir Emerelle, Königin aller Elben. Es ist unser Wunsch, unsere Väter und Freunde zu besuchen."
Königin Emerelle, wie auch ihre zwei männlichen Begleiter, nickten nur zustimmend. Gleich darauf richtete Adurethor Avari der Oberste des Rates das Wort an die jüngsten Elfen.
"Vor vielen Jahren blicken meine alten Augen voller Stolz auf vier neugeborene Elfenkinder. Es macht mich glücklich euch gesund und munter als junge Elfenmädchen wieder vor mir zu sehen. Seid auch ihr willkommen auf Lunaris. Elesil ich würde mir wünschen, das du deinen Großvater mit einer Umarmung begrüßt und von meiner Tochter Duilwêgel Avari erwarte ich einen Kuss nach so langer Zeit."
Aber seine Tochter war ihm fast zuvor gekommen. Sie küsste ihn auf beide Wangen und lag für eine lange Zeit glücklich in den Armen ihres Vaters.
Gleich darauf legte sich auch Elesil etwas schüchtern in die Arme Adurethors, doch als sie in die glücklichen Augen ihres Großvaters schaute, flog ihm ihr Herz im Nu entgegen.
Die Tage und Nächte auf Lunaris vergingen wie im Flug. Da der kleine Stern nur die Größe unseres Mondes besaß, dauerte ein Tag nur sechs Stunden. Auf dem Elfenstern gab es so viel zu bestaunen. So machten sich die Mädchen mit den Elfenkindern auf, die Wasserfälle und die Wälder zu durchstreifen, flogen in die Baumwipfel oder badeten in den herrlichen Seen. Das Meer war hier viel kleiner als auf der Erde, doch war es voller Leben.
Für ihre Eltern war es das größte Glück bei ihren Eltern und Geschwistern zu sein. Von vergangenen Zeiten zu reden und alte Freunde zu besuchen. Sie begnügten sich damit, in den wundervollen Abendstunden kleine Spaziergänge in die nahen Wälder zu machen.
Lalâdi streifte mit ihren Großeltern in den Wäldern umher. Kelalan Finwe
zeigte ihr seinen Lieblingsplatz, an dem er als Kind so oft gespielt hatte.
"Wenn es Nacht geworden ist, kann man hier mit
viel Glück Einhörner bewundern. Sie kommen, um am See zu trinken, doch beim kleinsten Geräusch fliehen sie."
"Können Einhörner wirklich fliegen."
"Ja Lalâdi, das können sie, doch tun sie es nur selten."
Ungläubig richtete sich meinen Blick auf Großmutter Rhianna."
Dein Großvater spricht die Wahrheit, doch uns beiden war es noch nicht vergönnt, sie dabei zu beobachten."
"Schade, dass wir schon morgen wieder zurück zur Erde müssen. Fliegende Einhörner zu sehen, das wäre ein Traum gewesen."
"Wer weiß Lalâdi, vielleicht wir dein Wunsch schon im nächsten Jahr erfüllt werden."
"Ich werde es kaum erwarten können, bis es endlich wieder soweit ist. Es war wunderbar meine Großeltern endlich kennenzulernen und diesen himmlischen Planten der Elben besuchen zu dürfen. Ich darf gar nicht daran denken, dass wir wieder fort müssen, sonst werde ich ganz traurig."
"Elfen sind glückliche Geschöpfe kleine Lalâdi, wir sollten keine Gedanken an Trauer verschwenden. Träume lieber von unserem Wiedersehen. Und denke daran, alles dafür zu tun, das die Erde eines Tages genauso schön wie unser Elfenstern sein wird. Denn die Erde ist eure Heimat auf der ihr euer gesamtes Leben verbringen werdet. Lunaris ist nur ein schöner Traum, den ihr jedes Jahr für einen kurzen Moment träumen dürft."
"Ich versprech es Großvater Adurethor."
Am Morgen versammelten sich alle Elben im Tal der grünen Berge um den Erdenbürgern einen kurzen aber liebevollen Abschied zu geben. Die kleine Gruppe hatte sich sogleich in leuchtende Sterne verwandelt, flog einmal grüßend über das Tal um dann in den Weiten des Weltalls zu entschwinden.
"Eine glückliche Heimkehr und immerwährender Friede meine liebe Lalâdi."
Adurethor hatte es seinem Enkelkind nachgerufen, und hoffte das sie es in Gedanken noch gehört hatte.
Alle waren glücklich, denn sie trugen die Schönheit von Lunaris in ihren Herzen mit auf ihrer Reise zurück zur Erde. Und in nicht allzu ferner Zeit würden sie wieder zum Elfenstern zurückkehren.
*** Ende ***